Wie für alle Tageszeitungen ist es auch für die traditionsreiche Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine große Herausforderung, in digitalen Zeiten die Attraktivität der Printausgabe hochzuhalten und zugleich viele Online-Kanäle zu bedienen. Wie dieser Spagat gelingt, wollten wir von Holger Windfuhr erfahren, der als Art Director der FAZ, der Sonntagszeitung und des Magazins für die visuelle Qualität einsteht.



Seit 2017 ist Holger Windfuhr Art Director der FAZ; 2020 kam die Art Direktion der Sonntagszeitung und des Magazins hinzu.
Auch bei der FAZ haben die Online-Angebote sicherlich der Printausgabe den Rang abgelaufen – was macht diese dennoch unverzichtbar?
Trotz des unaufhaltsamen Vormarschs der digitalen Medien bleibt die gedruckte Ausgabe der FAZ aus mehreren Gründen unverzichtbar. Die »Stavanger-Erklärung« von 2019 zeigt, dass das Lesen in gedruckter Form eine tiefere kognitive Verarbeitung und ein besseres Verständnis fördert. Gedruckte Zeitungen ermöglichen es, komplexe Inhalte langsamer und konzentrierter aufzunehmen, was in der digitalen Welt durch Ablenkungen und schnelles Scrollen oft verloren geht. Zudem bietet die gedruckte Zeitung eine visuelle Gestaltung, die den Lesenden auf andere Weise anspricht. Auch für die FAZ ist Print nicht nur ein Medium, sondern eine Form der Wertschätzung für fundierten Journalismus. Es geht darum, ein Format zu bieten, das Ruhe, Tiefe und Reflexion ermöglicht – Werte, die in der heutigen schnelllebigen Medienwelt immer wichtiger werden.
Wie sieht es im Editorial Design aus: Steht hierbei zunächst Print im Fokus oder muss das Digitale von vorneherein mitgedacht werden?
Bei der Entwicklung von Print-Layouts denken wir immer auch an die digitale Welt. Unser Ziel ist es, Lösungen zu finden, die in beiden Formaten funktionieren. Manchmal sind dafür nur kleine Anpassungen nötig, in anderen Fällen müssen wir die visuellen Elemente grundlegend überarbeiten, damit sie auch auf digitalen Endgeräten wie Smartphones gut zur Geltung kommen. Es ist also ein ständiger Balanceakt zwischen der Gestaltung für das traditionelle Printformat und der Anpassung an die Anforderungen der digitalen Welt, ohne dabei die visuelle Klarheit und Ästhetik zu verlieren.



Lange hatten Verlage mit der »Gratismentalität« zu kämpfen. Ist die Akzeptanz inzwischen vorhanden, auch für Online-Inhalte zu bezahlen?
Ja, die Akzeptanz ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Viele Leser haben erkannt, dass qualitativ hochwertige und gut recherchierte Inhalte ihren Preis haben. Beschleunigt wurde diese Entwicklung durch die Einführung von Paywalls und Abo-Modellen, die inzwischen von vielen großen Verlagen, darunter auch die FAZ, genutzt werden. In einer Zeit, in der Fake News und unzuverlässige Quellen zunehmen, wächst die Bereitschaft, für vertrauenswürdige und hintergründige Inhalte zu bezahlen. Die FAZ bietet nicht nur Printjournalismus von höchster Qualität, sondern auch exklusive Online-Inhalte, die Leserinnen und Leser überzeugen, für den Zugang zu bezahlen.


Sind die – grandiosen – Aufmacherseiten der FAZ Sonntagszeitung etwas, woran man als Art Director am liebsten arbeitet?
Die Aufmacherseiten der FAZ-Sonntagszeitung sind zweifellos ein Highlight im kreativen Arbeitsprozess. Sie erlauben uns als Designerinnen und Designer, visuell opulente und großzügige Designs zu entwickeln, die den Inhalt in Szene setzen. Diese Seiten sind eine Leinwand für kreatives Storytelling und laden zu mutigen Designentscheidungen ein. Aber es geht nicht nur um die großen Formate. Genauso befriedigend ist es, auch kleinere Artikel und weniger prominente Themen visuell überzeugend zu interpretieren. Die Herausforderung besteht oft darin, die Struktur der gesamten Zeitung zu entwickeln und ein stimmiges visuelles Gesamtbild zu schaffen, das sowohl ästhetisch ansprechend als auch inhaltlich klar ist.



Sechs Ausgaben in der Woche, eine Sonntagsausgabe, das FAZ-Magazin, Quarterly, Metropol, diverse Online-Angebote und Podcasts: Ist auch künftig immer mehr Content nötig, um selbst eine renommierte Zeitung zu erhalten?
Entscheidend ist nicht unbedingt die Quantität der Inhalte, sondern deren Qualität und Relevanz. Die FAZ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Inhalte zu liefern, die Orientierung, Tiefe und Einordnung bieten. Natürlich gibt es heute eine Vielzahl von Kanälen und jede dieser Plattformen erfordert maßgeschneiderte Inhalte. In Zukunft wird es darauf ankommen, eine Balance zu finden zwischen der Produktion von ausreichend Inhalten, um auf allen für unsere Leserinnen und Leser relevanten Plattformen präsent zu sein, und der Wahrung der hohen journalistischen Standards, für die die FAZ steht. Qualität wird immer wichtiger sein als Quantität.


