Mit großer Leidenschaft für Typografie, Detailverliebtheit und Humor werden bei Q in Wiesbaden für Unternehmen sowie Kulturbetriebe Identitäten destilliert: Konzentrierte Corporate Designs, die von durchdachten Bildwelten getragen werden. Wir sprachen mit Mitgründer Laurenz Nielbock.


Laurenz Nielbock und die Räumlichkeiten von Q
Ihr realisiert viele Projekte im Kultur-Bereich. Kommt hier immer eines zum anderen oder forciert Ihr das?
Wir lieben Kultur, sehen uns aber nicht in der Kulturschublade. Oft werden wir einfach weiterempfohlen, und gerade die Arbeit für Kundinnen und Kunden aus anderen Branchen – wie zum Beispiel der Gastronomie, dem Finanzsektor oder der Bauwirtschaft – inspiriert uns wiederum für kulturelle Projekte. Insofern ist es immer ein Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen.



Q für das Staatstheater Darmstadt.
Positionieren sich kulturelle Einrichtungen heute anders als noch vor zwanzig Jahren?
Ja, man achtet schon mehr auf das Branding und darauf, einen gewissen Charakter nach außen zu tragen. Für das Theater in Darmstadt gestalten wir gerade eine Plakatserie mit KI in einer plakativen Farbwelt – die serielle Konzeption baut auf hohe Wiedererkennbarkeit und unterstützt damit die Marke. Man sieht auf den ersten Blick, dass es sich um das Theater Darmstadt dreht. So kann man sich im Kulturbetrieb schon differenzieren und eine Eigenständigkeit finden.
Muss man gerade bei CDs für Theater eher eine Art Überbau schaffen, der Raum beispielsweise für Spielzeitplakate lässt?
Sicherlich. Das Erscheinungsbild muss einerseits schon unique sein, andererseits aber den Raum für die Kunst bieten. Es ist nur die Bühne, der Rahmen für das Ganze, in der sich die Kunst abspielt. Das ist die Herausforderung.
Beim hessischen Staatsballett verzichten wir auf ein klassisches Logo. Stattdessen gibt es nur einen Schriftzug, der die Marke trägt. Da die Bilder so spannend, lebendig und bewegt sind, haben wir eine Typografie gewählt, die harmonisch dazu passt.


Wird die Wirkung der Typografie von Kundinnen und Kunden manchmal unterschätzt?
Oft müssen wir für das Thema sensibilisieren. Spätestens, wenn wir verschiedene Schriftlösungen im Detail zeigen, sieht die Kundin oder der Kunde die Typografie meist ganz mit anderen Augen.
Ich denke dann immer an das Beispiel des Toblerone-Logos: Erst, wenn man darauf hingewiesen wird, sieht man die Silhouette des Bären im Berg. Und wenn man ihn einmal entdeckt hat, ist es unmöglich, ihn nicht mehr zu sehen. So ist es auch mit der Typografie und deren Details.
Denkt Ihr bei einer Markenentwicklung erst analog oder digital?
Wir denken am Anfang analog und legen bei der Logogestaltung viel Wert auf die formale, stimmige Umsetzung. Aber natürlich kreisen die Gedanken sofort darum, wie sich das Ganze digitalisieren oder animieren lässt. Diese Idee präsentieren wir dann in der Regel auch gleich mit, um das Potenzial aufzuzeigen. Oftmals ist es so, dass wir das Logo eigentlich über die Animation oder über die Wandlungsfähigkeit und Flexibilität verkaufen.
Q verantwortet seit vielen Jahren das Kommunikationsdesign des in Köln beheimateten Solistenensembles.
Muss ein Erscheinungsbild auf den ersten Blick durchschaubar sein oder darf Erklärungsbedarf bestehen?
Das kommt auf die Kundin oder den Kunden an. Manchmal lässt sie oder er sich auch gerne von der Geschichte des Logos überzeugen, die dann ja auch weitergetragen werden kann. Viele finden einen subtilen Twist gut und übernehmen diesen in ihr Storytelling. Wenn allerdings wenig Kontakt zur Zielgruppe da ist und das Produkt neben vielen anderen Logos funktionieren muss, hilft Subtilität nicht weiter. Aber wenn man viel direkten Kundinnen- und Kundenkontakt hat, darf das Logo auch eine erklärende Geschichte haben.
Was ist herausfordernder: ein ganz neues Corporate zu schaffen oder an einem Re-Design zu arbeiten?
Also ein ganz neues Baby in die Welt zu setzen, wie das Logo von dem Museum Reinhard Ernst, das ist natürlich toll. Aber es ist genauso herausfordernd, etwas Bestehendes neu aufzuladen. Hier haben sich ja bereits kreative Köpfe viele Gedanken gemacht. So etwas noch einmal neu zu denken, ist schon spannend.



Q gestaltete die neue Identität des Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden.
Gerade bei Corporate Designs für Einrichtungen im öffentlichen Raum ist man als Gestalter einer großen Präsenz ausgesetzt und sieht sich einer großen Zielgruppe gegenüber, die oft nicht mit Kritik spart. Wie geht ihr damit um?
Also, wenn man sich schon während des Gestaltungsprozesses Gedanken darüber macht, wie irgendjemand darauf reagieren könnte, kommt nichts Gescheites raus. Zunächst muss man frei sein in dem, was man tut. Schließlich macht man das aus einer Überzeugung heraus. Und wenn das im Nachhinein jemand doof findet, hat man ja seine Argumente. Man kann immer anderer Meinung sein, aber wir stehen zu unseren Lösungen. Es sei denn, wir haben tatsächlich Gefühle verletzt oder irgendetwas nicht bedacht. Das ist uns in dieser Form aber bisher nicht passiert.
Wo geht die Reise hin im Corporate Design?
In jedem Fall geht es nicht mehr nur um das eine Logo, sondern um Erscheinungsbilder und darum, eine Welt zu entwickeln. Das Zusammenspiel aus Farbe, Typografie und Designelementen macht letztlich das Corporate Design aus. Dass man sich heute ausschließlich mit einem Logo absetzen kann, glaube ich nicht – dafür ist unsere Welt zu facettenreich. Es gibt einfach zu viele Dinge, die ähnliche Assoziationen auslösen, daher braucht es einen Kosmos aus Farbe, Illustration, Fotografie etc., um auch eine Haltung der Marke zu zeigen.
Das jährlich erscheinende Magazin »Taktgeber« für die Junge Deutsche Philharmonie von Q.
Muss man als Unternehmen denn unbedingt Haltung zeigen?
Du musst schon deine Zielgruppe genau im Blick haben und wissen, wie sie tickt, um sie richtig abzuholen. Und dann kommt man an der eigenen Haltung nicht vorbei – schon sich selbst gegenüber nicht.
Wir fangen daher unsere Projekte immer mit Workshops an, bei denen man sich zunächst über das Unternehmen unterhält. Da sind verschiedene Mitarbeitende des Unternehmens dabei, und häufig bemerken wir dann Differenzen in den Aussagen, weil zuvor noch nie über gewisse Dinge gesprochen wurde. Oft existieren ganz unterschiedliche Meinungen über die eigene Firma oder das Produkt – die muss man dann erst einmal zusammenbringen.
Das klingt wie eine Psychotherapie für Unternehmen …
Ja, ein bisschen Beratung ist schon nötig. Dieser Prozess ist aber auch wichtig, um später mit seinem Design durchzukommen – man kann sich dann auf diese gemeinsame Analyse berufen. Wenn man einfach etwas macht, ist man schnell in dem Bereich des Gefallens oder Nichtgefallens.



Für das Ausstellungsprojekt »Jetzt! Neue Malerei in Deutschland« entwickelte Q ebenfalls eine typografische Lösung.
Hat die haptische Kommunikation noch einen Stellenwert?
Wir werden ja nicht müde, die subtile Bedeutung von Papier im Kontext des Designs zu betonen. Aber natürlich gibt es immer weniger Gelegenheiten, mit Printprodukten zu kommunizieren, weil vieles im Digitalen passiert. Viele merken jetzt aber wieder, dass gerade dieses haptische Erlebnis auch sehr erfolgreich sein kann. Aber es muss eben gut umgesetzt sein. Irgendein liebloses Druckwerk auf billigem Papier wäre eher schädlich als hilfreich für eine Marke. Print wird also eher seine Rolle in der Kundenbindung, die Wertschätzung verlangt, finden.
Mit welchen drei Adjektiven würdest du Q beschreiben?
Neugierig, detailverliebt und humorvoll.
Gibt es eine Designikone für dich?
Ich würde hier Dieter Rams nennen – er setzte gerade im Produktdesign Maßstäbe und seine Entwürfe wurden von so vielen Kreativen adaptiert. Das zeichnet eine Ikone aus. Wenn ich eine Marke nennen soll, würde mir Nomos mit seinen fantastisch zeitlosen Uhren einfallen.



Erscheinungsbild für die Tagbar »Delikt«, die sich im ehemaligen Strafkammersaal des alten Wiesbadener Gerichtsgebäudes befindet.